Das Liederturnen-Konzept
„Liederturnen“ als Konzept, versteht sich als erlebnisorientierte Methode zur ganzheitlichen Bewegungs- und Sprachförderung von Kindern.
Liederturnen ist eine Wortschöpfung und soll die Grundidee vermitteln, dass Lieder und Turnen, oder auch Musik und Bewegung, direkt miteinander verbunden sind.
In dieser Abbildung soll diese Verbindung mit den beiden ineinandergreifenden Puzzleteilen symbolisiert werden.
Die „Lieder …“ erfüllen folgende Funktionen:
Sie legen das Stundenthema fest
Durch das Lied bekommt die Turnstunde ein bestimmtes Thema, z. B. Die Jahreszeiten bei dem Lied „Wir turnen durch das Jahr“. Mit diesem Lied lassen sich alle jahreszeitliche Themen verknüpfen.
Die Lieder sind auch Impuls- und Sinngeber für die Inhalte der Stunde.
Das bedeutet, dass das Lied-Thema und einzelne Textzeilen die Impulse geben für Bewegungsspiele und Spielideen mit und und ohne Kleingeräte und für den Aufbau von Bewegungslandschaften. Auf diese Art entstehen fließende Übergänge und Sinnzusammenhänge, die die Kinder mit Fantasie zum Bewegungs- und Sprachhandeln herausfordern.
Die Lieder als Mitmachlieder bedeuten die Umsetzung von Sprache in Bewegung.
Das Gehörte wird in Bewegungen umgesetzt und lässt Sprache lebendig werden. Besonders für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sind Mitmachlieder eine wertvolle Gelegenheit Sprache auf der Handlungsebene zu begegnen und in die Gruppe integriert zu werden.
Nun zum „… turnen“:
Der Deutsche Turnerbund beschreibt Kinderturnen als ein vielseitiges Spielen, Bewegen und Fertigkeitslernen, mit und ohne den Einsatz von Materialien und Geräten.
(vgl.: DTB Kinderturnen, o.D.: Was ist Kinderturnen? dtb.de)
Ausgehend von dieser Beschreibung ergeben sich im Liederturnen-Konzept die Inhalte zum Thema Turnen und Bewegung wie folgt.
Bewegungsspiele:
Unter Bewegungsspiele fallen kleine Sportspiele mit einfachen Regeln, z.B.
Musik-Stopp-Spiele, Fangspiele in allen Variationen, Kreisspiele und Staffelspiele
Bewegungsgeschichten:
Die Bewegungsstunden sind in der Regel eingebettet in eine große Rahmengeschichte mit Tolly Turnmaus, oder auch in kleinere Geschichten, die sich rund um die verschiedenen Spiele ranken.
Bewegungsaufgaben:
Sie sind in der Turnstunde eigentlich allgegenwärtig, wenn es darum geht Bewegung anzuregen. Man unterscheidet zwischen der Bewegungsanweisung, bei der die Kinder eine Bewegung genau nachahmen sollen, z. B. bei einer Gymnastikübung und einer freieren Form, bei der die Bewegungsaufgabe mehrere Lösungsmöglichkeiten beinhaltet, wie z. B. „Hüpft alle durch den Raum!“. Die Kinder werden diese Aufgabe unterschiedlich ausführen, was wiederum zum Anlass genommen werden kann gemeinsam die verschiedenen Arten zu Hüpfen zu erkunden und die Unterschiede zu herauszufinden.
Experimentierphasen:
In diesen Phasen dürfen sich die Kinder frei und ungezwungen mit einem oder mehreren Spielgeräten ausprobieren. Einschränkungen im Umgang mit dem Gerät sollten nur in Bezug auf die Sicherheit gemacht werden, z. B. Dass ein Tennisball nicht auf ein anderes Kind geworfen werden darf.
Kleingeräte, Alltags- und Naturmaterialien:
Dazu zählen in erster Linie Bälle, Reifen, Seile, Tennisringe, Chiffon-Tücher und Säckchen.
Material aus dem Alltag sind Schwämme, Zeitungen, Pappröhren, Pappdeckel und Joghurtbecher. Bei Materialien aus der Natur eignen sich besonders gut Kastanien. Dies sind nur einige Beispiele, eine umfassendere Liste findet ihr im Buch Liederturnen mit Tolly Turnmaus auf Seite 18.
Unter Bewegungslandschaften
wird vor allem der Aufbau von Bewegungsstationen mit Großgeräten verstanden. Ergänzend kommen oft auch Kleingeräte und weitere Materialien hinzu. Den Aufbauten wird dabei meistens eine symbolische Bedeutung gegeben, z. B. wird der Mattenberg zum Eisberg oder eine umgedrehte Bank zur Dschungelbrücke.
Entspannungsübungen:
Es gibt das „Sonne-Wolken-Traumlied“, es gibt kleine Traumreisen und Entspannungsgeschichten, die die Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers und oft auch auf den Atem richten. Bei spielerischen Rückenmassagen, die die Kinder als Partnerübung machen, lernen sie zudem achtsam miteinander umzugehen.
Darf ich vorstellen: Tolly Turnmaus
Tolly ist eine sportliche kleine Maus, die am liebsten den ganzen Tag, herumtollt, spielt und turnt. Wahrscheinlich hat sie deswegen auch ihren Namen Tolly Turnmaus. Ursprünglich kommt sie aus dem Mäuseland wo sie auch immer noch wohnt. Weil sie aber so reiselustig und mutig ist, erlebt sie viele kleine und große Mäuse-Abenteuer und kommt uns ganz oft besuchen.
Mit Postkarten, Briefen oder als sprechendes Stofftier (dem du ihr deine Stimme leihst) lädt Tolly die Kinder dazu ein ihr in ihre Abenteuer zu folgen. So eröffnet sie den Kindern eine Erlebniswelt in die sie ganzheitlich eintauchen können.
Das „Tolly Turnmaus“ Lied
Eine besondere Rolle nimmt das Lied „Tolly Turnmaus“ ein. Es lädt die Kinder ein sich wie Tolly zu bewegen. Dabei sind die Bewegungen so gewählt, dass sie zu bewältigen und gleichzeitig herausfordern sind, wie z. B. Rückwärts Gehen, Hampelmann machen und auf einem Bein stehen. Die Textzeile „Was Tolly kann, das kannst du auch“, soll als Affirmation wirken und dabei helfen ein positives Selbstbild aufzubauen, im Sinne von „Ich kann was“, „Ich traue mir etwas zu und mir wird etwas zugetraut.“
Welche Rolle erfüllt Tolly Turnmaus noch im Liederturnen-Konzept?
Als Stofftier begleitet Tolly die Turn- und Spielgruppe über das ganze Jahr hinweg. Die Kinder bauen schnell eine emotionale Beziehung zu Tolly auf und identifizieren sich mit ihr. Ihre Augen leuchten, wenn sie Tolly sehen und die Bewegungsabenteuer rund um Tolly stillen ihr Bedürfnis nach Geschichten und nach Rollenspielen.
Für dich als Spielleitung hat der Einsatz von Tolly ebenfalls positive Aspekte:
Stofftiere gelten in der Psychologie als Übergangsobjekte die Sicherheit und Geborgenheit geben in Situationen, die für Kinder neu oder ungewohnt sind. Das kann z. B. im Kinderturnen der Fall sein, wenn sie mit 4 Jahren das erste Mal ohne die Eltern turnen oder beim Bewegungsangebot in der Kita wenn sie unsicher oder ängstlich sind. Das Kuscheltier kann dann dabei helfen Stress und Ängste zu reduzieren. Tolly ist dann zwar nicht das eigene Kuscheltier, aber sie wirkt trotzdem als eine Art Verbindung zur kindlichen Lebens- und Gefühlswelt und hilft Vertrauen zu fassen. Tolly ist bewusst auch keine Handpuppe sondern ein Kuscheltier, das die Kinder in den Arm nehmen und mit dem sie spielen können.
In Bezug auf die Sprachförderung unterstützt Tolly dich darin Sprechanlässe zu schaffen und Dialoge zu führen, denn die Kinder wollen mit Tolly sprechen und sie wollen mit dir über sie sprechen! So regt der Einsatz von Tolly die Fantasie und die Kommunikationsfähigkeit aller Beteiligten spielerisch an.
Die Erfahrung hat z. B. auch gezeigt, dass Tolly einen integrierenden Effekt in der Gruppe haben kann. Ruhigere Kinder werden durch Tolly angeregt sich zu öffnen und sich sprachlich und motorisch mehr einzubringen. Dagegen werden lebhaftere Kinder, die sich schnell ablenken lassen, durch Tollys Anwesenheit und ihre Geschichten fokussierter.
Die Lernbereiche von Liederturnen
Kindliche Lern- und Bildungsprozesse sind komplex und auf Ganzheitlichkeit angelegt. Kinder lernen handlungsorientiert, mit allen Sinnen, immer und überall und so versteht sich Liederturnen als ein Setting, das förderliche Impulse für alle Entwicklungsbereiche von Kindern bereithält.
Motorik
- Grundfertigkeiten: Rollen, Krabbeln, Laufen, Hüpfen, Klettern, Werfen, Fangen, …
- Motorische Fähigkeiten: Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit & Koordination
Wahrnehmung
- Also die Sinne: sehen, hören, fühlen /tasten, Gleichgewicht und die sogenannte kinästhetische Wahrnehmung, auch Bewegungssinnn genannt.
Sprache
- Die Kinder erweitern ihren Wortschatz
- durch Liedtexte lernen sie Laute zu unterscheiden u. Reime zu erkennen
- Sie setzen ihre Stimme beim Singen, bei Spielen und beim Sprechen mit mit Tolly ein
- Generell wird ihr Sprachverständnis gefördert, z. B. bei Spielerklärungen und Bewegungsaufgaben
Denken, kognitives Lernen
- Aufgaben und Spielregeln verstehen, umsetzen und einhalten
- Eigenschaften von Turn-, Spielgeräten erfassen, sind sie leicht oder schwer, hart oder weich, wie fliegen sie?, wie rollen sie? …
- Kennenlernen physikalischer Gesetzmäßigkeiten z. B. Schwerkraft, beim Niederspringen, Gleichgewicht beim Balancieren, Schwung beim Schaukeln und Reibung beim Rutschen
Fantasie
- Kinder tauchen in die Tolly-Geschichten ein und entwickeln sie fantasievoll weiter
- Schlüpfen in Spielrollen, z. B. In die einer Maus oder einer Katze
- lösen Bewegungsaufgaben kreativ, oder erfinden Spielregeln
Gefühle, emotionales Lernen
- Freude und Spaß am Spiel und an der Bewegung empfinden
- Selbstwirksamkeit erfahren
- Erfolge erleben und Misserfolge verarbeiten, z. B. wenn man beim Fangspiel gefangen wird
Gemeinschaft, soziales Lernen
- Kontakt aufnehmen, kooperieren
- Rücksicht nehmen und Hilfsbereitschaft entwickeln
- Einsicht in Regeln für das Miteinander, z. B. Sich gegenseitig zuhören oder abwarten, bis man an der Reihe ist